Gute Ausbildung - besser mit Tarifvertrag!
Ausbildung, besser mit Tarif!
Interview zu Situation der Ausbildung in Kölner Region
Görkem Mansuroglu (Autohaus Fleischhauer, JAV)
Eray Öner (Deutz AG, JAV)
Dennis Klein (Ford Werke GmbH, JAV)
IG METALL: Liebe Görkem, lieber Eray, lieber Dennis, danke, dass ich euch die Zeit für ein Interview genommen habt. Wir wollen anderen Ausbildungsinteressierten helfen, sich zu orientieren. Daher die erste Frage: Stimmt eure Erwartung an eine Ausbildung mit den Erfahrungen überein?
ERAY: Im Großen und Ganzen trifft meine noch laufende Ausbildung schon meine Erwartung, allerdings war es gerade am Anfang schon auch herausfordern. Mittlerweile meine ich aber, mich auch gefunden zu haben. Ich habe vor der Ausbildung ein duales Studium begonnen, habe aber gemerkt, dass ich einen höheren Praxisanteil haben möchte, sowie auch einen zukunftssicheren Job haben wollte. Daher habe ich mich für den Elektroniker mit der Fachrichtung Automatisierungstechnik entschieden.
IG METALL: Das ist ja schon auch ein anspruchsvoller Bereich.
ERAY: Fachlich ist die Ausbildung schon noch mal eine andere Welt, im Vergleich zur Schulzeit. Die Herausforderung ist schon groß, aber genau das macht ja auch noch mal mehr Spaß, wenn man seinen Schwerpunkt gefunden hat.
DENNIS: Das Schöne ist, dass jede und jeder eine faire Chance bei uns bekommt, ganz gleich was man mitbringt. Die Sicherheit und auch die Möglichkeiten sind sicherlich nicht in allen Betrieben vorhanden, aber in Betrieben mit Betriebsrat und Tarifvertrag sind glaube ich generell gute Bedingungen, um eine Ausbildung mit guten Standards und einen Start ins Berufsleben zu machen.
GÖRKEM: Ich wollte eigentlich direkt nach Ausbildung noch ein Studium hinterher schieben. Aber die Arbeitsatmosphäre und die Arbeit mit den Kollegen macht mir so viel Spaß, dass ich das nicht sofort wieder loslassen möchte. Das hätte ich mir vor der Ausbildung so auch nicht gedacht.
IG METALL: Ist die Ausbildung an die Ansprüche des Arbeitslebens angepasst?
GÖRKEM: Ja, wir werden gut auf die spätere Arbeit vorbereitet.
ERAY: Ich war beispielsweise in der Instandhaltung eingesetzt und bin mit den Kollegen gelaufen, um die Fehlermeldungen zu läsen. Das ist sehr motivierend, direkt in der Ausbildung schon in den Arbeitsprozess eingebunden zu sein.
IG METALL: Wo seht ihr den Vorteil einer Ausbildung in einem tarifgebundenen Unternehmen?
DENNIS: Im tarifgebundenen Unternehmen mit guten Betriebsräten bekommt man die Arbeitsmittel gestellt, es wird auf die Lerninhalte geachtet. Da habe ich in nicht-tarifgebundenen Unternehmen schon andere Stories gehört. Es geht natürlich immer besser, aber die Ausstattung ist halt zunehmend wichtiger, wenn der Digitalisierungsgrad steigt. Auch die Ausbildung wird dadurch effizienter.
GÖRKEM: Ablage gehört bei mir zur Ausbildung dazu, aber ich musste nie so Dinge machen wie für alle nur Kaffee kochen oder so. Ausgenutzt wurde ich in diesem Sinne auch als Azubi nicht. Solche Horrorstories höre ich eher aus weniger gut strukturierten Betrieben. Leider passen in manchen Betrieben die Ausbildungsinhalte nicht zum Ausbildungsplan, da sollte man schon gut auswählen.
IG METALL: Wie ist es mit dem Thema Motivation in der Ausbildung und darüber hinaus?
DENNIS: Wir sehen eher die Frage der Karrierewege und der Perspektiven. Viele Leute wollen nach der Ausbildung noch weitere Bildungsschritte gehen, um sich weiterentwickeln zu können. Da würden wir uns mehr Offenheit seitens des Unternehmens wünschen.
ERAY: Ausbildung sorgt für einen Grundstein und das Erfahrungswissen ist sehr wertvoll, auch für weitere Bildungsschritte. Ich habe mir über weitere Schritte zwar Gedanken gemacht, will jetzt aber erstmal in Ruhe meine Ausbildung beenden.
GÖRKEM: Ich arbeite jetzt nach der Ausbildung in der Buchhaltung und bin auch immer wieder in einer Orientierungsphase um zu schauen, wo ich mich in 10 Jahren sehe. Über die nächsten Weiterbildungsschritte mache ich mich mir immer mal wieder Gedanken und informiere mich, denn während der Ausbildung verdient man nicht die Welt, um direkt danach in den nächsten Schritt zu gehen.
IG METALL: Wie haben sich die letzten Corona-Jahre auf die Ausbildung ausgewirkt?
DENNIS: Das waren schon ungewohnte Zeiten, Home-Schooling und auch mal hybrid-Unterricht waren neu für alle Beteiligten. Ein Vorteil ist bei uns, dass nun alle Azubis die heute notwendigen Endgeräte haben, um sich zu vernetzen. Dadurch sind auch die Kontakte besser geworden und Lerngruppen entstanden, die es so nicht gegeben hätte. Das Thema Digitalisierung zeigt sich da auch schon deutlich, beispielsweise am digitalen Berichtsheft.
GÖRKEM: Unsere Berichtshefte sind auch schon digital, aber es gibt immer noch hohe Anteile an Papierbasierter Arbeit. Beim Thema Endgeräte für die Lernphasen gibt es bei uns eine Offenheit, aber ich würde mir noch weitergehende Angebot für jede und jeden wünschen, weil es auch einfach der heutige Standard im Berufsleben ist.
ERAY: Wir haben bei uns sowohl direkt Schulabgänger als auch Studienabbrecher in der Ausbildung. Dabei haben alle mitgezogen und wurden abgeholt, gerade in der Corona-Phase war das nicht einfach. Wir mussten viele Hürden überwinden, was beispielsweise gemeinsame Pausen angeht.
IG METALL: Wie seid ihr zur Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) gekommen?
DENNIS: Ich habe mich immer mal wieder für Probleme von anderen Kolleg:innen eingesetzt und bin darüber mit dem gewerkschaftlichen Vertrauenskörper in Kontakt gekommen. Auch die Bildungsarbeit der IG Metall war für mich sehr ansprechend, sodass ich dann dort hingegangen bin.
GÖRKEM: Ein ehemaliger BR hat mich angesprochen und gut zugeredet da er meinte, dass ich gut dafür geeignet bin.
ERAY: Wir haben ein Azubi-Team, das die Neuen empfängt. In meinem ersten Jahr habe ich an der Ausbildungsfahrt teilgenommen und dabei auch die JAV kennengelernt. Mein Eindruck von der Arbeit und den Leuten war gut, gerade auch die überbetriebliche Arbeit im OJA. Daher habe ich mich dann auch zu Wahl gestellt.
DENNIS: Uns alle eint glaube ich, dass wir Dinge in der Ausbildung nicht nur deswegen machen wollten, weil gesagt wurde „Das haben wir schon immer so gemacht“. Diese Aussage passt nicht zu uns und unserer Zeit, daher bringen wir uns ein.
IG METALL: Welche Orientierung habt ihr für die Azubis von morgen?
ERAY: Man sollte für technische Berufe auch ein entsprechendes Interesse mitbringen und etwas Passendes suchen. Manche suchen vor allem einen gut bezahlten Beruf, finden aber nicht das, was sie interessiert. Man sollte aber nach eigenen Fähigkeiten, Vorlieben und Stärken suchen, die sich nicht durch einen Computertest herausfinden lassen. Hier sollten die Schulen noch mehr Orientierung und Berufsvorbereitung leisten. Wenn wir das hinbekommen, werden wir auch beim Thema Fachkräftemangel weiterkommen.
DENNIS: Wir haben in unseren größeren Betrieben oft Ausbilder*innen oder Kolleg*innen die mithelfen können, dass Ausbildungsinhalte praxisnah wiederholt werden. Durch solche kollegiale Hilfe kann eine Ausbildung häufig erfolgreicher absolviert werden, als in eher unstrukturierten Betrieben.
GÖRKEM: Praktika und Schnuppertage sind auf jeden Fall super, um ein besseres Gefühl für den Betrieb, die Ausbildung und die eigenen Interessen zu bekommen. Es hängt halt viel von den Leuten ab und von den Bedingungen, die man von außen einem Unternehmen aber nicht ansieht.
IG METALL: Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Paul Hecker.